Christian
Werner
Christian Werners Arbeiten sind so ein wahnsinnige Mischung aus dem, was wir mögen. Aussergewöhnliche Portraits von Leuten, die wir gerne mal kennenlernen würden und dann noch sein pointierter Blick auf die Welt.
Wie bist du zur Fotografie gekommen und warum bist du bei ihr geblieben?
Über Umwege. Es gab nicht das frühe Erweckungserlebnis á la mein Großvater hat mir als Kind seine alte Leica geschenkt oder sowas. Als Jugendlicher habe ich immer davon geträumt Musiker zu werden und habe es auch mit Bandprojekten und allein probiert. Mit dem Umzug nach der Schule nach Berlin hat mich aber irgendwie der Mut verlassen und es hat nie richtig Fahrt aufgenommen. Dann Studium (Geisteswissenschaften), was mehr im Nachtleben stattgefunden hat, Ausbildung Grafik-Design, Praktika beim Film und so weiter.
2005 bin ich dann zu einem zweiten Studium an die Bauhaus Uni in Weimar gegangen. Ein Fach namens Medienkultur, dass sich auf Medien- und Kulturwissenschaften konzentriert, in Weimar aber interdisziplinär ausgelegt ist. So habe ich einen großen Teil meiner Studienzeit dort in den ausgezeichnet ausgestatteten Fotowerkstätten verbracht und schnell gemerkt, dass ich in der Fotografie etwas gefunden habe, was gut zu mir passt. Der Moment des Fotografierens, der „live“ stattfindet, die unmittelbaren Ergebnisse. Und als dann die ersten Aufträge von den damals noch existierenden Magazinen wie Spex und De:bug eintrudelten, dachte ich, als Musiker habe ich es zwar nicht geschafft, in diesen von mir verehrten Blättern vorzukommen, aber dann doch immerhin als Fotograf.
Wir haben gespickt und ein paar Interviews von dir gelesen. Viele Fotografen, die dich inspirieren sind aus den Staaten. Gibt es einen nationalen Blick. Und wenn ja, ist deiner ein Stück deutsch?
Amerika und seine Pop-Kultur war für mich immer Inspirationsquelle und Antrieb. In meiner Jugend empfand ich alles von dort als derart cool: Musik und Filme und dann natürlich auch die Fotografie. Stephen Shore und William Eggleston sind alte Helden von mir, aber auch Fotografen der jüngeren Generation wie Gregory Halpern finde ich toll. Ich selbst habe auch versucht mich in die visuelle Erzählung Amerikas einzuschreiben.
Mit meinem Band „Los Angeles“, 2019 im Korbinian Verlag erschienen, zeige ich ein ausgestorbenes Stadtbild, in dem nur noch die Spuren der westlichen Zivilisation zu sehen sind und das große Freiheitsversprechen des Westens als Illusion. Parallel dazu habe ich gemeinsam mit Joachim Bessing ein Buch über die untergegangene Bundesrepublik Deutschland gemacht: in „Bonn. Atlantis der BRD (Matthes & Seitz, 2019) besuchen wir die aus dem Funktionszusammenhang gerissenen Gebäude ehemaliger Machtrepräsentanz und gehen der Frage nach, wie man aus diesem märklinhaften Zaubergarten eigentlich ein Land regieren konnte. Mein Blick ist nicht deutsch (wenn es so etwas überhaupt gibt), aber er ist wehmütig.
„Meine Faszination für die Dinge und Zusammenhänge speist sich immer eher aus der Vergangenheit als aus der Zukunft.”
In „Everything so democratic and cool“ stehen Auftragsarbeiten neben freien Arbeiten ohne stilistischen Bruch. Gibt es den Christian Werner Look?
Das würde ich jedenfalls als großes Kompliment empfinden.
Im Unterschied zu meinen vorangegangen Publikationen, die immer einem Thema gewidmet waren (Stillleben BRD, Die Blüten der Stadt, Bonn, Los Angeles…) und strengen Regeln unterworfen waren, wollte ich in meinem Band „Everything so democratic and cool“ (herausgegeben von und erschienen bei Blake & Vargas) eine größere Bandbreite zeigen, von dem was ich mache. Ich arbeite regelmäßig für Magazine, mache viele Portraits, auch Modestrecken und Reportagen und bin dafür in den letzten Jahren recht viel unterwegs gewesen. An interessanten Orten, an denen ich auch immer für mich selbst mitfotografiert habe. Ich fand es sehr reizvoll, das alles einmal zusammenzubringen.
„Die Diversität der Motive steht für die Gleichzeitigkeit und auch den Widerspruch, die maßgeblich sind, für die Zeit in der wir leben.“
Portraits von Theoretikern wie Diedrich Diederichsen oder Heinz Bude, von Harun Farocki und Antonio Negri zu kombinieren mit solchen von Billie Eilish oder Hailey Bieber. Models, verlassene Stadträume, traurige Tiere, Straßenszenen und still lifes aufgenommen an ganz unterschiedlichen Orten: das fand ich demokratisch und cool.
Meta-Thema unserer Interview-Reihe: Why on film?
Aus vielerlei Gründen. Die Flüchtigkeit und die grenzenlose Reproduzierbarkeit des fotografischen Bildes ist ja (vor allem im Kunst-Kontext) auch ein Problem. Mit dem Negativ zumindest doch ein Original eines Bildes zu besitzen, finde ich irgendwie beruhigend. Die Verlangsamung im Prozess des Sichtbarwerdens des Bildes, sich bei Portraitashootings nicht während der Aufnahmen aufs Display schauen lassen zu können und natürlich der durch die Wahl der Kamera und des Films vorher festgelegte Look.
„Immer wenn ich meine Scans aus dem Labor bekomme, habe ich es mit einem im Grunde fertigen Bild zu tun.“
Jedes mal wenn ich digital fotografiere und die raw-Dateien öffne, bin ich aufs neue irritiert von den endlosen Möglichkeiten der Nachbearbeitung. Ich habe vor einigen Jahren schon mal versucht auf digital umzusteigen und habe die oben erwähnten Bücher „Los Angeles“ und „Bonn“ auch ausschließlich mit Leica Digitalkameras fotografiert. Das passte inhaltlich auch gut, weil ich da auf keinen Fall eine Retro-Anmutung wollte, sondern die Bilder sehr sachlich kühl und zeitgenössisch sein sollten. Danach bin ich aber wieder zurück auf Film gewechselt und werde wohl auch dabei bleiben, wenn die Preise von Kodak nicht immer weiter explodieren sollten.
Das müssen wir jetzt fragen. Wir sind schließlich ein analoges Foto-Lab. Hast du eine Lieblingskamera. Und wenn ja, wieviele?
Ich bin kein ausgewiesener Technik-Nerd, aber klar, ich liebe die ganzen alten Kameras auch sehr und besitze auch die ganzen Lieblinge. Besonders die Sachen aus den Neunzigern finde ich super, wobei der hype um bestimmte Modelle ja auch nur noch begrenzt Spaß macht. Ich habe meine komplette Contax G2 Ausrüstung noch für 800€ gekauft, das zahlt man ja inzwischen für eine Kompaktknipse. Ich empfehle inzwischen eher auf Canon und Nikon Spiegelreflex-Kameras zu gehen, in Kombination mit neuen Objektiven und Portra 400 ist das spitze!