Daniel Chatard
Daniel ist ein Dokumentar- und Porträtfotograf und gerade die Mischung macht seine Langzeitprojekte so besonders. Auf der einen Seite hat man den distanzierten Blick auf die Situation, auf der anderen Seite sehr intensive und intime Momente in seinen Porträts. Das fühlt sich für uns sehr besonders an.
Gab es einen besonderen Moment, der dich zur Fotografie gebracht hat?
Ich glaube nicht, für mich war das eher eine langsame Entwicklung. Mir hat fotografieren einfach Spaß gemacht und dann ist mir nach und nach klargeworden, dass das für mich ein Ausdrucksmittel sein kann, durch das ich mich mit Themen beschäftigen kann, die mich interessieren. Und dass es andere Menschen auch interessieren kann, was dabei herauskommt – das ist für mich ein gutes Gefühl.
Wie wichtig war dein Studium für deine Arbeit? (Hannover, Russland, Dortmund)
Sehr wichtig, würde ich sagen. Ich glaube, dass das wichtigste für mich das Umfeld war, in dem man sich plötzlich befindet. Es gibt auf einmal lauter Menschen um einen herum, die tolle Arbeiten machen und von denen man viel lernen kann, das hat mich total weitergebracht. Durch das Studium hatte ich überhaupt erst die Möglichkeit, mich so intensiv mit der Fotografie auseinanderzusetzen. Es braucht natürlich trotzdem eigenes Engagement, aber das Studium ist einfach eine gute Rahmenbedingung dafür, weil man da viel Zeit reininvestiert.
Mir tun auch die Studierenden sehr leid, die während Corona angefangen haben – das erschwert den Austausch außerhalb der Kurse, der mich persönlich weitergebracht hat. Dadurch ist es noch wichtiger, dass man so etwas selbst organisiert, weil das momentan über die Hochschulen kaum passiert.
Wo findest du Inspirationen?
Das ist unterschiedlich. Natürlich sehe ich ab und zu fotografische Arbeiten, die mich sehr faszinieren, das passiert bei mir meistens in Ausstellungen. Manchmal bei großen wie von Peter Hujar im Jeu de Paume in Paris, aber auch zum Beispiel auf der letzten Bachelorausstellung meiner Kommiliton:innen in Hannover.
Aber für mich können auch Filme oder Literatur eine Inspirationsquelle sein (die dritte Staffel von Twin Peaks, There Will Be Blood, oder das Buch Under a White Sky von Elizabeth Kolbert).
„Und oft sind es auch einfach Gedanken oder Ideen, die mir jemand im Gespräch oder bei einem Vortrag vermittelt, die mich inspirieren.“
Hast du eine Lieblingskamera oder Film?
Ich fotografiere meistens mit der Mamiya 7ii. Mit der kann ich schon einigermaßen präzise arbeiten, bin aber trotzdem noch schnell und flexibel – das ist für mich die richtige Mischung.
Hast du eine Routine, die dich beim Fotografieren begleitet?
Für freie Arbeiten nehme ich inzwischen eigentlich selten die Kamera in die Hand, ohne vorher ein Thema zu haben, das aus irgendeinem Grund mein Interesse geweckt hat. Ich habe unterschiedliche Themenfelder, die mich besonders interessieren – zum Beispiel Klimawandel, Grenzen und kollektive Identitäten – und bei denen ich besonders nach möglichen Projekten Ausschau halte.
Vor dem Fotografieren selbst bin ich immer auch ein bisschen aufgeregt, wahrscheinlich weil man vorher nie genau sagen kann, wie es laufen wird. Manchmal stecke ich große Hoffnungen in einen bestimmten Termin und am Ende sind die Fotos gar nicht so spannend, manchmal ist es genau umgekehrt. Aber das ist ja auch das spannende.
Du fotografierst analog in einer digitalen Zeit – warum?
Eigentlich ist der Prozess ja ein Hybrid aus analogem und digitalem Arbeiten. Also ich fotografiere auf Film, scanne den dann ein und bearbeite die Bilder am Bildschirm. In der Dunkelkammer bin ich quasi nie, ich glaube dafür würde mir die Geduld fehlen. Also ich freue mich auch über die vielen Vorteile der digitalen Welt.
„Aber beim analogen Fotografieren habe ich oft das Gefühl, ich kann mich besser auf die Situation einlassen – ich schaue mir nicht ständig meine Bilder auf dem Display an, sondern überlege mir eher, wie das nächste Bild aussehen könnte oder interagiere mit den Menschen, mit denen ich arbeite.“
Ich denke mit einer analogen Kamera ist man mehr gezwungen, sich vorher zu überlegen, wie das Bild aussehen soll und dann zu entscheiden, wie man zu dem Ergebnis kommt. Digital ist es bei mir oft das Gegenteil – ich schaue mir die Bilder, die ich gerade gemacht habe, an und denke dann erst darüber nach, was ich verändern will.