Ludwig Nikulski
Mit seiner philosophischen Herangehensweise und einer meist absurden Thematik, realisiert er emotional hin- und hergerissen seine fotografischen Projekte. Diese Intensität sieht man in seinen dokumentarischen Bildstrecken und wir sind sehr gespannt auf alles, was noch kommt.
Wer ist die Person hinter der Kamera? Erzähl uns kurz von dir.
In meinen fotografischen Projekten verfolge ich meist eine absurde Thematik. Es ist wie ein wohlwollender Zwang, ich muss es tun, es fühlt sich fürchterlich an und wundervoll.
„Die Arbeit erfordert Einsamkeit, das Fehlen von faktischen Informationen, ein Spiel mit Erinnerungen, Verletzlichkeit und Rausch. Auch ein gewisses Maß an Naivität ist wichtig, um in Situationen zu kommen, die nicht geplant werden können.“
Erzähle uns bitte etwas über dein neustes Buchprojekt „Hello I Love You“.
„Hello I Love You“ entstand 2018 als mein Abschlussprojekt am Lette Verein Berlin. Ich bin mit einem japanischen Liebesbrief nach Japan gegangen, um nach der Person zu suchen, die mir den Brief geschrieben hat. Von Tokio zur Ostküste, über Fukushima, durch das Hachimantai Gebirge zur Westküste, und zurück nach Tokio zeigte ich den Brief Menschen auf der Straße, um nach Hilfe zu fragen und dokumentierte diese Suche. Den Brief hatte ich übrigens in Auftrag gegeben und die Person die ich suchte, existiert nicht. Die damals selbstpublizierte Auflage von „Hello I Love You“ wurde beim Deutschen Fotobuchpreis ausgezeichnet und war Finalist beim Kunstnachwuchspreis Mecklenburg-Vorpommern. Vor kurzem wurde das Buch im Pool-Publishing Verlag veröffentlicht.
Wie wichtig waren deine Studiengänge für deine Arbeit?
Das Kunststudium in meiner Heimatstadt Greifswald habe ich abgebrochen, weil ich nur fotografieren wollte. Die Fotografiekurse hatte ich bereits nach 2 Semestern abgeschlossen. Dieses eine Jahr hat allerdings mein Sehen und Denken in Bezug auf Komposition und Farbwirkung, sowie meine philosophische Herangehensweise an die Fotografie stark beeinflusst. Dafür bin ich sehr dankbar. 2015 ging ich nach Berlin an den Lette Verein. Die drei Jahre waren sehr arbeitsintensiv. Dort lernte ich, Prioritäten für meine eigenen Interessen zu setzen. Nach dem Abschluss arbeitete ich hautpsächlich allein, was schön, aber anstrengend war. Mir fehlten der Input und Austausch. Im August 2020 fotografierte ich auf einer Artist Residency in Island meine neuste Arbeit „Opal“. Erstmal saß ich ein halbes Jahr auf den Fotos und wusste nicht, was ich damit anfangen soll. Im Frühjahr 2021 nahm ich an der NOOR-Academy Masterclass teil. Der Input war so intensiv und der Austausch mit den Tutoren und Teilnehmern war unglaublich bereichernd. Dadurch bekam ich einen Zugang zu der Arbeit, was für mich ein innerer Durchbrach war. Ohne die Masterclass hätte ich das nicht geschafft. Das hat mir gezeigt, wie wichtig eine Community ist.
Hast du eine Routine, die dich beim Fotografieren begleitet?
Vor jedem neuen Projekt werde ich extrem nervös. Das ist die Strategie meiner Komfortzone, die mich im Sicheren halten will. Draußen ist alles ungewiss und neu. Doch dort entstehen die besten Dinge. Ich arbeite mit dokumentarischen Bildstrategien.
„Dabei lasse ich meine Intuition regieren und vertraue darauf, dass mein Unterbewusstsein weiß, was es tut. Das ist nicht immer leicht, wenn man in einer Gesellschaft aufwächst, in der Vernunft wichtiger ist als Intuition.“
Ich fotografiere alles, was ich interessant finde. Habe aber gelernt, mehr auszuprobieren und auch mal nicht auf mein Gefühl zu hören. Wenn mich etwas triggert, muss ein Foto gemacht werden. Auch wenn es langweilig ist oder ich keine Lust darauf habe. Das sind oft die Bilder, die das fotografische Gedächtnis noch nicht abgespeichert hat, Bilder die neu sind, wenn man das überhaupt so sagen darf. Oft fotografiere ich und werde wütend, weil ich dafür Negative verschwendet habe. Genau das zu tun, ist aber wichtig, denn manchmal entstehen gerade dabei die guten Bilder. Diese Widersprüche bringen mich dazu, einfach mehr zu machen.
Du fotografierst analog in einer digitalen Zeit – warum?
Ich kann Bildschirme nicht leiden. Sie führen oft zu einer Reizüberflutung. Es entspannt mich, nicht zu sehen, was ich fotografiert habe und gleichzeitig gibt es mir ein Gefühl von Anspannung und Erregung, alles wird zum Erlebnis und fühlt sich echter und näher am Leben an. Ich hatte einige Mittelformatkameras ausprobiert, aber von keiner Kamera war ich so begeistert wie von der Mamiya 7. Filme, Entwicklung und Digitalisierung sind teuer, oft kam ich pleite von einem Projekt nach Hause.
Durch die analoge Fotografie bin ich beim Fotografieren gezwungen, mich auf meine eigenen Interessen zu konzentrieren und kann nicht alles fotografieren, was ein potentiell schönes Foto wäre. Das ist eine gute Strategie, um an meiner Bildsprache zu arbeiten. Schwierigkeiten regen das Gehirn und die Kreativität an, man muss ständig nachdenken und sich die Fotos vorstellen, die man gemacht hat. Aber auch der rein technische Aspekt der analogen Fotografie ist etwas sehr Schönes. Einen analogen Handabzug zu sehen, ist einfach toll – ein reines Produkt aus Physik und Chemie.